Plastik in den Meeren und in der Umwelt stellt weltweit ein großes menschengemachtes Problem dar. Forscherinnen und Forscher suchen in vielen Ländern nach Mitteln, um Kunststoffe zersetzen. Nun sind einige fündig geworden.
Nach Angaben des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) treiben inzwischen auf jedem Quadratkilometer Meeresoberfläche bis zu 18.000 Plastikteile unterschiedlichster Größe. Doch ist dies nur die Spitze des Eisbergs, mehr als 90 Prozent der Abfälle sinken auf den Meeresboden. Diese sind im Meer nahezu unvergänglich, nur langsam zersetzt es sich durch Salzwasser und Sonne. Aus größeren Plastikteilen wird Mikroplastik, winzige kleine Teilchen, welche nicht nur der Meeresfauna, sondern extrem auch den Meerestieren schaden.
Plastik kommt in unglaublich vielen Produkten vor und findet, achtlos weggeworfen, den Weg über Flüsse und den Wind ins Meer. Geschätzte 380 Tonnen Kunststoff schwemmt der Rhein beispielsweise jedes Jahr in die Nordsee. Daneben spielen regional auch die Einträge aus der Schifffahrt, der Fischerei und der Offshore-Industrie eine große Rolle. Allein am Grund der Nordsee liegen vermutlich mehr als 600.000 Kubikmeter Müll, das entspricht 1,5 Mal dem Kölner Dom.
Das globale Plastikmüllaufkommen wird auf 4,8 bis 12,7 Millionen Tonnen geschätzt.
Mikroplastik hat inzwischen auch über die Nahrungskette den Weg zu uns Menschen gefunden. Forscher haben nun erstmals Mikroplastik im Blut nachgewiesen. Im Ärzteblatt steht ein guter Artikel darüber.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der University Texas in Austin haben eine Enzymvariante entwickelt, die Polyethylenterephtalat (PET) in nur wenigen Stunden in seine Bestandteile zerlegt. Die Veröffentlichung erfolgte Ende April in der Fachzeitschrift “Nature”.
Kunststoffabfälle stellen eine ökologische Herausforderung dar1,2,3, und der enzymatische Abbau bietet einen potenziell umweltfreundlichen und skalierbaren Weg für das Recycling von Polyesterabfällen. Polyethylenterephtalat (PET) macht 12 % des weltweiten Feststoffabfalls aus, und eine kreislauforientierte Kohlenstoffwirtschaft für PET ist theoretisch durch rasche enzymatische Depolymerisation und anschließende Repolymerisation oder Umwandlung/Verwertung in andere Produkte möglich.
Die Anwendung von PET-Hydrolasen wurde jedoch durch ihre mangelnde Robustheit gegenüber pH- und Temperaturbereichen, langsame Reaktionsgeschwindigkeiten und die Unfähigkeit, unbehandelte Altkunststoffe direkt zu verwenden, behindert. Hier verwenden wir einen strukturbasierten, maschinellen Lernalgorithmus, um eine robuste und aktive PET-Hydrolase zu entwickeln. Unsere Mutanten- und Gerüstkombination (FAST-PETase: funktionelle, aktive, stabile und tolerante PETase) enthält fünf Mutationen im Vergleich zur Wildtyp-PETase und zeigt eine überlegene PET-hydrolytische Aktivität im Vergleich zum Wildtyp und den konstruierten Alternativen zwischen 30 und 50 °C und einer Reihe von pH-Werten. Wir zeigen, dass unbehandeltes Post-Consumer-PET aus 51 verschiedenen thermogeformten Produkten von FAST-PETase innerhalb von einer Woche fast vollständig abgebaut werden kann. FAST-PETase kann auch unbehandelte, amorphe Teile einer handelsüblichen Wasserflasche und eine gesamte thermisch vorbehandelte Wasserflasche bei 50 º C depolymerisieren. Schließlich demonstrieren wir einen geschlossenen PET-Recyclingprozess, bei dem FAST-PETase eingesetzt und PET aus den zurückgewonnenen Monomeren resynthetisiert wird. Insgesamt zeigen unsere Ergebnisse einen gangbaren Weg für enzymatisches Kunststoffrecycling im industriellen Maßstab.
Forscherteam University Texas veröffentlichte diesen übersetzten Textauszug im Nature
Der oben genannte Artikel sagt aus, dass das neu entwickelte Enzym FAST-PETase in der Lage ist, nicht nur Kunststoffe zerlegt (Depolymerisation), sondern auch diese wieder zusammenzusetzen (Repolymerisation). Durch die Zerlegung entstehen Monomere, aus denen sich wiederum neuer Kunststoff herstellen lässt.
Das Forscherteam plant durch die Steigerung der Emzymproduktion verschiedenen Bereichen zu einer Kreislaufwirtschaft zu verhelfen, z. B. Sanierung von Mülldeponien, Ökologisierung von Industrien sowie die Umweltsanierung verschmutzter Standorte.
In Deutschland arbeitet besonders der Forscher (Dr. Christian Sonnendecker) der Universität Leipzig am gleichen Thema.
Nach bislang unbekannten Vertretern dieser biologischen Helfer sucht das Team um den Nachwuchswissenschaftler Dr. Christian Sonnendecker von der Universität Leipzig im Rahmen der EU-geförderten Drittmittelprojekte MIPLACE und ENZYCLE. Auf dem Leipziger Südfriedhof wurden sie fündig: Die Forscher:innen hatten dort gezielt Proben von Laubkompost genommen und fanden in einer Probe den Bauplan eines Enzyms, das im Labor in Rekordgeschwindigkeit PET zersetzte.
Die Forscher:innen vom Institut für Analytische Chemie hatten sieben verschiedene Enzyme gefunden und untersucht. Der siebte Kandidat mit dem Titel PHL7 erreichte im Labor deutlich überdurchschnittliche Ergebnisse: In den Versuchen gaben die Forschenden PET in Behälter mit einer wässrigen Lösung, die entweder PHL7 oder LCC, also den bisherigen Spitzenreiter bei der PET-Zersetzung, enthielt. Dann maßen sie die Menge an Plastik, die in einer bestimmten Zeitspanne abgebaut wurde, und verglichen die Werte miteinander.
Das Ergebnis: Innerhalb von 16 Stunden zersetzte PHL7 das PET zu 90 Prozent, in der gleichen Zeit schaffte LCC einen Abbau von gerade einmal 45 Prozent. „Unser Enzym ist also doppelt so aktiv wie der Gold-Standard unter den polyesterspaltenden Hydrolasen“, erklärt Sonnendecker. Eine Kunststoffschale, in der im Supermarkt zum Beispiel Weintrauben verkauft werden, ließ sich mit PHL7 in weniger als 24 Stunden zersetzen. Die Forscher fanden heraus, dass ein einziger Baustein des Enzyms für die überdurchschnittlich hohe Aktivität verantwortlich ist: An der Stelle, wo andere bereits bekannte polyesterspaltende Hydrolasen einen Phenylalanin-Rest enthalten, trägt PHL7 ein Leucin.
Universität Leibzig – Dr. Sonnendecker
Die Forscher und Forscherinnen, welche an diesem Projekt beteiligt sind, hoffen, dass dieses neu entdeckte Enzym PHL7 das biologische Recycling auch in der Praxis weiter voranbringen wird und suchen dafür nach entsprechenden Industriepartnern. Da dieses Enzym zwar sehr schnell recycelt, jedoch nur sogenanntes amorphes PET, also keine PET-Flaschen, forschen sie in dieser Richtung weiter. Vielleicht sollten sie sich an der University Texas orientieren und mit dessen Team zusammenarbeiten. Es könnte auch sein, dass sie dies bereits tun. Dies konnte ich leider nicht herausfinden.
Die Originalpublikation ist in ChemSusChem zu finden.
Quellen: GEO.de, Nature, Uni Leibzig, ChemSusChem
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