Die Umweltzerstörung schreitet immer mehr voran und dadurch verlieren immer mehr Tiere ihren Lebensraum. Artenschützer bauen nun künstliche Habitate an Land und im Wasser, um den Tieren zu helfen. Modernste Hightech-Details und Mikrochips sollen dabei unterstützen. Eine Studie hat sich inzwischen mit diesem Thema befasst und geprüft, wie sinnvoll solche Maßnahmen sind.

Der Verlust und die Verschlechterung von Lebensräumen und ihre Wechselwirkung mit anderen Bedrohungen führen weltweit zu einem Rückgang der Tierpopulationen. Weltweit wachsen Städte zu riesigen Metropolen, Landwirtschaft wird immer mehr intensiviert, Küsten werden mit Mauern und Wällen zubetoniert und rauben Tieren geeignete Plätze, um zu rasten, sich zu verstecken, Eier zu legen, zu brüten, aufzuwachsen oder zu überwintern. Beispielsweise fehlen Nist- und Schlafplätze, weil immer mehr Bäume gefällt wurden und werden, Waldbrände die Bestände dezimieren und Bäume (wie bekannt) nur langsam nachwachsen.

Zur Umsetzung zur Schaffung künstlicher Lebensräume sind langwierige Feldforschungen zu den Vorlieben, Gewohnheiten und Bedürfnissen der betroffenen Tiere nötig. Sind diese nicht möglich, dann kann Hightech manchmal helfen. Daher setzen Forscherinnen und Forscher immer öfter beim Design und der Produktion künstlicher Habitate auf Hightech-Lösungen wie Mikrochips, 3D-Druck und Laservermessungen. Eine Methode, mit der sich etwa schwer zugänglich tierische Bauten auskundschaften lassen, ist die Lasertechnik LiDAR. Normalerweise dient diese dazu, Abstände und Merkmale verschiedener Geländestrukturen bis ins Detail zu vermessen. Doch neuerdings spionieren Forscher der australischen Curtin University damit auch Echsenfamilien aus.

Typischer Lebensraum der Skinke im Mittleren Westen von Westaustralien; (A) offener Eukalyptuswald, in dem Holzstapel spärlich verteilt sind; (B und C) Beispiele von Holzstapeln, die von Skink-Kolonien bewohnt werden; und (D) junge Skinke, die sich in einer der Vertiefungen eines besetzten Holzstapels sonnen. Fotos: H. Bradley.

Ein zentraler Grundsatz des Managements bedrohter Arten ist das Erfordernis eines detaillierten Verständnisses der Lebensraumanforderungen der Arten. Schwieriges Gelände oder kryptisches Verhalten können jedoch die Untersuchung der Lebensraum- oder Mikrohabitat-Anforderungen erschweren, sodass innovative Datenerfassungstechniken erforderlich sind. Wir haben hochauflösende terrestrische LiDAR-Aufnahmen verwendet, um dreidimensionale Modelle von Holzstapeln zu entwickeln und die strukturellen Merkmale zu quantifizieren, die mit der Besiedlung durch ein gefährdetes kryptisches Reptil, den westlichen Stachelschwanzskink (Egernia stokesii badia), zusammenhängen. Bewohnte Baumstämme waren im Allgemeinen höher, hatten kleinere Eingangshöhlen und einen breiteren Hauptstamm, mehr hoch hängende Äste, weniger tief hängende Äste, mehr Bewuchs im Mittel- und Unterholz und eine geringere maximale Baumkronenhöhe. Signifikante Merkmale, die mit der Besiedlung zusammenhängen, sind längere Stämme, durchschnittlich drei Stämme, eine geringere Überdachung und das Vorhandensein von überhängender Vegetation, was wahrscheinlich mit der Segregation der Kolonie, den thermoregulatorischen Anforderungen und den Möglichkeiten zur Nahrungssuche zusammenhängt. Das Verständnis der Mikrohabitat-Spezifität von E. s. badia hilft nicht nur bei der Optimierung der Auswahl von Umsiedlungsorten, sondern auch bei einer Reihe von Managementzielen, wie z. B. der gezielten Überwachung und der Bekämpfung invasiver Räuber. Darüber hinaus bieten sich vielfältige Möglichkeiten für die Anwendung dieser Technologie bei einer Vielzahl künftiger ökologischer Studien und Initiativen zum Management von Wildtieren, die eine Reihe kryptischer, wenig untersuchter Taxa betreffen.

Quelle: Scientific report australische Curtin University

Einen noch ungewöhnlicheren Ansatz wählten Forscher der University of Queensland, um dem Fuchskusu (Trichosurus vulpecula) zu helfen. Obwohl diese ursprünglich in Australien heimische, in Neuseeland auch Possum genannte Art bislang noch weitverbreitet ist, geraten die Beuteltiere zunehmend unter Druck. Sie benötigen sichere Verstecke, Nistplätze und manchmal auch Extrafutter. Wie aber sollen Konkurrenten und Fressfeinde ferngehalten werden? Die Forscher pflanzten den Fuchskusus Mikrochips ein, die die »Hochsicherheitstüren« spezieller Nistboxen öffnen, sobald sie sich nähern. Bereits nach kurzer Trainingszeit hatten sich die Tiere an die neuen Behausungen und die automatisch öffnenden und schließenden Türen gewöhnt.

Manchmal jedoch sind Habitate unwiederbringlich verloren. So etwa bei der australischen Breitkopfotter (Hoplocephalus bungaroides), einer gefährdeten Schlangenart, die in der Nähe von Sydney vorkommt und dort viel Zeit abgeschirmt unter flachen Sandsteinen verbringt. Doch die attraktiv geformten Steine passen als Deko hervorragend in Vorstadtgärten. Immer wieder werden sie illegal entwendet. Herpetologen von der University of Sydney entwarfen deshalb maßgeschneiderte Unterschlupfe aus Stahlbeton mit Gummidichtung und legten sie aus. Mit Erfolg: Nicht nur Breitkopfottern zogen ein, sondern auch andere lokale Arten, darunter ein Samtgecko, den die Schlangen besonders gern fressen.

In anderen Fällen sind synthetische Bauten zumindest zur Überbrückung geeignet, bis die natürliche Umgebung sich regeneriert hat. Als besondere Herausforderung erwies es sich, die Notlage des australischen Riesenkauzes (Ninox strenua) zu lindern. Die Tiere benötigen viel Platz und brüten vorwiegend in den Höhlen großer Bäume, die es in ihrem bevorzugten Biotop aber kaum noch gibt – und die Jahrzehnte brauchen, um nachzuwachsen.

In diesem Fall durchliefen Wissenschaftler von der University of Melbourne einen langen Prozess von Versuch und Irrtum, boten den Vögeln Nistboxen, zurecht geschnitzte Holzstämme und am Computer entworfene Höhlen an. Nichts davon wurde den hohen Ansprüchen der Käuze gerecht, die wohltemperierte, nicht zu nasse oder stickige Nistplätze benötigen, einen Landeplatz, eine Futterplattform sowie Kratzflächen.

In der Natur beziehen die Käuze manchmal alte Termitenbauten in Bäumen. An diesen als natürlichem Vorbild orientierten sich die Forscher. Mithilfe hochmoderner Ansätze wie 3D-Scans, computergestützter Modellierung, digitaler Fabrikation und Augmented-Reality-Montage entwarfen sie künstliche Strukturen, die so leicht sind, dass sie auch von jungen und dünnen Bäumen getragen werden können. Ähnlich wie bei Lego produzierten die Wissenschaftler nur einzelne Bausteine, die sie dann zu größeren Niststrukturen zusammensetzten.

Die synthetischen Rückzugsorte scheinen also ein guter Kompromiss für den schrumpfenden Lebensraum der Käuze zu sein – wie so viele der mit Kreativität und Ausdauer entwickelten künstlichen Bauten. Doch ist der Ansatz nicht mindestens fragwürdig?

Eine Publikation im Fachmagazin »Frontiers in Ecology and the Environment« beschäftigte sich Mitte des Jahres 2022 mit der Thematik und verschaffte sich einen Überblick über bereits erprobte oder geplante Projekte. Die Autoren und Autorinnen um Darcy Watchorn, einem Ökologen und Artenschützer von der Deakin University in Melbourne, beschreiben darin Nistboxen mit Hochsicherheitstür, maßgeschneiderte Holzhütten oder schützende Kunststeine. Computermodelle helfen beim bedarfsgerechten Design und Betrieb. Schließlich muss jedes Konstrukt passgenau gefertigt sein, je nachdem, ob einzelne Spezies oder ganze Ökogemeinschaften angelockt werden sollen.

Beispiele für künstliche Habitatstrukturen: (a) ein erwachsener scheuer Albatros (Thalassarche cauta), der sein Junges in einem künstlichen Nest auf Albatross Island, Australien, füttert; (b) ein künstliches Riff in Thailand, das mit einem schwachen elektrischen Strom versorgt wird, um den pH-Wert des Wassers zu verändern und die Versauerung der Ozeane zu verringern; (c) ein in einem australischen Wald nach einem Brand installierter Nistkasten für das vom Aussterben bedrohte Leadbeater’s Possum (Gymnobelideus leadbeateri); (d) ein gefleckter Handfisch (Brachionichthys hirsutus), der eine künstliche Laichstruktur (eine Keramikstange) im Fluss Derwent in Australien nutzt. (Quelle: Frontiers in ecology and the environment)

Dieser hoch technisierte Ansatz ist allerdings selbst in der Wissenschaft umstritten. Es klingt auch völlig widersinnig: Warum etwas mit viel Aufwand imitieren, was zuvor von Menschenhand zerstört wurde? So betonen auch die Autoren der Übersichtsarbeit, selbst perfekt konstruierte künstliche Bauten seien keine Dauerlösung. Andererseits gebe es derzeit kaum noch eine Wahl. Denn obwohl es oberste Priorität sein müsse, die natürlichen Lebensräume der Tiere vor der Zerstörung zu retten oder zu regenerieren, sei das oft nicht und vor allem nicht schnell genug möglich. Dann sei ein »unnatürlicher« Kompromiss oft besser als nichts, wenn er bedrohten Arten und dem Naturschutz Zeit kauft, um naturnahe Lösungen zu finden und umzusetzen.

Bild- und Textquellen: scientific reports, Frontiers in ecology and the environment, Leaving Seawalls