Kautschuk für Reifen wird auf gerodetem Regenwaldgebiet angebaut. Forscher der Universität Münster entwickeln eine umweltverträgliche Alternative aus Löwenzahn.

Jedes Jahr sehen wir unzählig viele gelbe Löwenzahn-Blüten und Pflanzen. Diese sind wunderschön anzusehen und manchmal den Gärtnerinnen und Gärtnern ein Dorn im Auge. Der Molekularbiologe Professor Dr. Dirk Prüfer von der Universität Münster erforscht seit über 20 Jahren Löwenzahnpflanzen und meint durchaus zu Recht, dass Löwenzahn in der Öffentlichkeit verkannt wird.

Der Milchsaft des Löwenzahns weist Ähnlichkeiten mit dem Kautschukbaum auf, ebenso die „Pusteblume“ und birgt das Potenzial, Naturkautschuk langfristig zu ersetzen. Kautschuk steckt in unglaublich vielen Produkten, vor allen in Autoreifen, Dichtungen und Schuhsohlen. Der Rohstoff wird fast ausschließlich aus Kautschukbäumen in Süd- und Südostasien gewonnen. Der steigende Bedarf weltweit (14 Millionen Tonnen pro Jahr) sorgt für Monokulturen auf großen Flächen, welche hoch mit Pestiziden belastet sind. Dazu müssen oft Regenwälder weichen.

„Der Schutz unserer Tropenwälder hat im Kampf gegen den Klimawandel oberste Priorität“, sagt Prüfer, der als Professor für Pflanzenbiotechnologie an der Universität Münster lehrt. „Mein Ziel ist, dass nicht noch mehr Regenwald abgeholzt wird, sondern wir den Mehrbedarf in der Naturkautschuk verarbeitenden Industrie künftig anders abdecken.“

In einem gemeinsamen Projekt haben Forscher des Fraunhofer-Instituts für Molekularbiologie, des Instituts für Biologie und Biotechnologie der Pflanzen (IBBP) der Universität Münster und des Reifenherstellers Continental die Grundlagen zur nachhaltigen Nutzung von Löwenzahn gelegt und Autoreifen-Prototypen entwickelt und hergestellt.

Basierend auf diesen Erkenntnissen konnten sie Pflanzen entwickeln, die etwas doppelt soviel Naturkautschuk hervorbringen. Damit eröffneten sich erstmals Perspektiven, um den großen Bedarf weltweit decken zu können. Continental hatte die Tests für Reifen übernommen und konnte diese als erfolgreich abschließen.

„Der Kautschuk aus Löwenzahn hat optimale Rohstoff- und Materialeigenschaften. Die Reifen daraus zeigen ein äquivalentes Eigenschaftsprofil im Vergleich zu Reifen aus herkömmlichem Naturkautschuk“, betont Dr. Carla Recker von Continental.

von Pexel / Pixabay.com

2019 kamen die ersten Fahrrad-Reifen aus Löwenzahn-Kautschuk (Urban Taraxagum) auf den Markt. Letzten Dezember wurde Professor Prüfers Team für den Deutschen Zukunftspreis nominiert und unterlag knapp dem Mainzer Corona-Impfstoffentwickler BioNTech.

Die Herstellung von Löwenzahn-Kautschuk ist nicht sehr anspruchsvoll. Die geernteten Wurzeln werden zunächst gekocht und anschließend in einer Kugelmühle zerstoßen. Im Wasser schwimmen danach Kautschuk-Nuggets auf und können dann einfach abgefischt werden.

Lastwagenreifen werden zwar zum größten Teil aus Synthesekautschuk hergestellt, jedoch beinhalten selbst Hochleistungsreifen immer noch 40 % Naturkautschuk. Hier liegt die Zukunft der PKW- und LKW-Reifen. Es braucht also große Erträge von Löwenzahn. Naturkautschuk erwirtschaftet 1 Tonne Kautschuk pro Hektar und Jahr. Also gilt es jetzt noch, dieses Problem zu lösen. Es gibt inzwischen Züchtungen, die ca. 15 % mehr Kautschuk liefern, als Wildpflanzen, ein niederbayerischer Pflanzenzüchter unterstützt die Uni Münster dabei, die Erträge noch mehr zu steigern. Somit dauert es höchstwahrscheinlich nicht mehr so lange, bis auch Reifen für LKWs und PKWs in Serie hergestellt werden können.

Quelle: Nationalgeographic, Uni Münster
Bildquellen: Pixabay.com